Das Bürgergeld

Nun ist es doch noch zu einem Kompromiss gekommen zwischen den Regierungsparteien und der CDU/CSU-Opposition. Dieser war nötig, weil die eine Seite nicht ohne die andere konnte. Denn die Regierungsparteien haben die Mehrheit im Bundestag, CDU/CSU die „Sperrmehrheit“ im Bundesrat (im Bundesrat zählen „Enthaltungen“ als Neinstimmen). Und da es beim Bürgergeldgesetz sich um ein Zustimmungsgesetz handelt (ein Gesetz, dass ohne ausdrückliche Zustimmung des Bundesrates nicht verabschiedet werden kann), musste eine Einigung her, sonst scheiterte das Gesetzesvorhaben.

Wie es bei einem Kompromiss nun mal ist, konnte keine Seite sich völlig durchsetzen. Besonders die Regierungsparteien haben Federn gelassen. Damit stellt sich die Frage, war es aua Sicht der Regierungsparteien das wert oder hätte man das Gesetz besser scheitern lassen sollen. Um der Antwort auf diese Frage näher zu kommen, muss man das Erreichte/Veränderte näher betrachten:

1. Streitpunkt: Die Höhe des Schonvermögens

Beim Schonvermögen handelt es sich um das Vermögen, das ein Arbeitsloser hat und das er auch bei Bezug von Arbeitslosengeld behalten darf. Die Regierungsparteien wollten es auf eine Höchstgrenze von 60000€ festsetzen. Die Opposition wollte weit darunter, am liebsten wäre ihr ein völliger Wegfall gewesen. Jetzt hat man sich auf 40000€ geeinigt. Also ein klassischer Kompromiss, für den Einzelnen wichtig, aber kein Grund wegen eines Streits darüber das Vorhaben scheitern zu lassen.

2. Streitpunkt: Die Karenzzeit

Bei der Karenzzeit geht es um die Zeit, in der Erspartes nicht angegriffen werden muss. Die Regierungsparteien wollten diese auf zwei Jahre festsetzen, die Unionsparteien deutlich geringer. Geeinigt hat man sich auf eine Karenzzeit von einem Jahr.

3. Streitpunkt: Sanktionsfreiheit in den ersten sechs Monaten

Die Regierungsparteien wollten die ersten sechs Monate der Arbeitslosigkeit überwiegend sanktionsfrei halten  (entgegen den Angaben der überwiegenden Zahl der Medien sollte es bei schweren und/oder wiederholten Verstößen Sanktionen auch innerhalb der Sechsmonatsfrist geben). Dies lehnte die Opposition kategorisch ab und hat sich damit auch durchgesetzt. Schon ab Beginn der Arbeitslosigkeit können die Jobcenter Sanktionen in voller Höhe und in allen sanktionswürdigen Fällen einsetzen.   

Da diese -bedingte- Sanktionsfreiheit ein Kernstück des Bürgergeldsystems der Bundesregierung war und die Opposition sich hier vollständig durchgesetzt hat, bedarf dieser Punkt einer besonderen Betrachtung.

Die Regierung wollte in diesen sechs Monaten eine Abkehr vom Grundsatz „Fördern und Fordern“ aus Hartz IV, indem sie den Arbeitslosen und ihrer Arbeitswilligkeit vertraute. Im Gegensatz hierzu misstraute die Opposition den Arbeitslosen und sah in der „Sanktionslosigkeit“ einen Anreiz zum sechsmonatigen Faulenzen. ES ist nicht auszumachen, welche Seite mehr Recht hat (vollständiges Rechthaben auf einer Seite kann man ausschließen). Nur -und dieser Vorwurf ist beiden Seiten zu machen- : Es ist aus einer Mücke ein Elefant gemacht worden! Wenn es richtig ist -und es ist bisher von keiner Seite widersprochen worden- , dass lediglich 3% (!) aller Arbeitslosen in der Vergangenheit wegen Verstößen gegen die Mitwirkungspflicht sanktioniert worden sind, dann haben wir es bei dieser Frage mit „einem Streit um des Kaisers Bart“ zu tun. Denn fast die gesamte Anzahl der Arbeitslosen hat sich augenscheinlich bisher regelkonform verhalten.

Also: Warum stellte die Regierung diesen Teil ihres Reformprogramms so in den Mittelpunkt, warum entfachte die Opposition hierrüber einen Glaubenskrieg? Theaterdonner, nicht mehr und nicht weniger!

Es bleibt also Geschmackssache, ob man hier einen Sieg oder eine Niederlage der einen oder der anderen Seite sehen will.

Auf jeden Fall sollte man eines keineswegs vergessen: Das zweite Hauptziel der Regierung blieb unangetastet: Die Hinwendung in der Arbeitsvermittlungspolitik zur Qualifizierung. Mit den Bürgergeldreforman will die Regierung die Arbeitslosen für die Anforderungen des modernen Arbeitsmarktes fit machen. Aus dem bisherigen vielfachen Vermitteln in Hilfsarbeiten will man heraus und qualifizierte und damit sichere Arbeitsplätze anbieten. Und dies ist ein Erfordernis der heutigen Zeit.

Also:

Es mehr oder minder müßig, sich über Sieger und Verlierer bei den politischen Parteien zu streiten. Entscheidend ist, dass das Reformwerk „Bürgergeld“ durchgehen wird und nicht in den Politikmühlen hängengeblieben ist.

Die Arbeitslosen werden es danken!