Eine Zeitenwende

Die Entscheidung der Bundesregierung, sich komplett in die Reihen und Aktionen der Natoländer einzugliedern und keinen Sonderweg zu gehen, ist absolut richtig, notwendig und eine endlich erfolgte Anerkennung der Realität. Man kann einen Despoten und Kriegsherrn wie Putin nicht mit den Methoden a la Ghandi gegenübertreten. Denn wenn er etwas überhaupt anerkennt, dann ist es Stärke und Entschlossenheit seines Gegners.

Von Rolf Künne

Aber diese Entscheidung hat einen hohen Preis für uns: Wir werden zum einen einen hohen wirtschaftlichen Preis zahlen und das wird auch direkt bei den Bürgerinnen und Bürgern aufschlagen, weil alles teurer wird. Zum anderen wird unsere Energieversorgung neu gedacht werden müssen, werden wir manche Bereiche, z.B. die Bekämpfung des Klimawandels, anders behandeln als ursprünglich gedacht.

Die finanziellen Belastungen werden immens werden.

Da ist zunächst das 100 Milliarden Euro- Paket zur Ertüchtigung der Bundeswehr. Das ist zwar „nur“ eine einmalige Leistung, aber was für eine gewaltige! Es sind 100 Milliarden Euro neue Schulden, das Wort „Sondervermögen“ verschleiert das nur. Dafür muss sogar das Grundgesetz geändert werden, wobei CDU/CSU schon Zustimmungsbereitschaft signalisiert haben. Aber: Schulden sind Schulden! Es müssen für die Kredite Zinsen gezahlt werden (im Moment noch niedrig) und es muss getilgt werden. Also eine erhebliche finanzielle Belastung für die Zukunft.

Aber damit nicht genug. Die Bundesregierung will die sogenannte „Zweiprozentregel“ ab jetzt einhalten, d.h.: In die Rüstung werden 2% unseres Sozialprodukts hineingesteckt. Auch das ist eine Riesensumme! Dem stehen zwar die bisher im Haushalt für die Bundeswehr veranschlagten Mittel gegenüber, doch verbleibt noch eine gewaltige zusätzliche Belastung. Wenn man die Schuldenbremse einhalten und die Steuern nicht erhöhen will, bleibt nur übrig, im Bundeshaushalt anderen Bereichen Geld wegzunehmen. Wo das sein soll, ist bisher nicht gesagt. Aber eines ist klar: Manches Projekt wird seinen finanziellen Tod sterben.

Es kommt hinzu, dass die Sanktionen gegen Russland auf uns zurückfallen werden. Das wird insbesondere im Energiesektor der Fall sein. Wir beziehen zurzeit mehr als die Hälfte des von uns benötigten Erdgases und deutlich mehr als ein Viertel des von uns verbrauchten Erdöls aus Russland. Das auch nur teilweise am Weltmarkt zu ersetzen, wird sehr viel Geld kosten. Denn bei einer Angebotsverknappung steigen zwangsläufig die Preise. Jetzt rächt sich bitter, dass wir in der Zeit der großen Koalitionen bei unserer Energieversorgung so sehr auf Russland gesetzt haben und dass wir den Ausbau der regenerativen Energien so sehr verschleppt haben (Altmeier).

Wenn wir uns nach und nach bei der Energieversorgung von Russland abkoppeln wollen, muss Ersatz her.

Wo kann der herkommen?

1.Zunächst vom Weltmarkt, indem wir dort mehr Erdgas und Erdöl ordern.

2.Durch Einsatz von Flüssiggas, insbesondere aus den USA. Dabei müssen wir hinnehmen, dass dieses Gas auf umweltschädliche Weise gewonnen wird (sog. Fracking).  Aber: Wir haben in Deutschland keine einzige Entladestation für Flüssiggas. Zwar gibt es in Europa solche, doch ist deren zusätzliches Leistungsvermögen begrenzt. Außerdem wollen auch noch andere davon profitieren.

Nun hat die Bundesregierung angekündigt, zwei Flüssiggasentladestellen in Brunsbüttel und Wilhelmshaven zu bauen. Allerdings müssen diese Projekte erst noch genehmigt und gebaut werden. Da wird noch eine gehörige Zeit ins Land gehen.

3.Durch einen massiven und engagierten Ausbau der regenerativen Energien (insbesondere Windkraft und Photovoltaik). Wenn man das ernsthaft will, müssen die im Moment bestehenden erheblichen Genehmigungshindernisse entfallen. Die Bundesregierung ist hier gefordert, hier die Möglichkeit einer beschleunigten Umsetzung zu schaffen. Fernerhin muss das Überlandleitungsnetz für Strom rapide ausgebaut werden, ein Projekt, das bisher nur schleppend vorangekommen ist.

4.Es müssen neue Übergangsenergien her, wenn wir vom russischen Öl und Erdgas wegkommen wollen.

So eklig das ist: Es bietet sich an, die drei noch vorhandenen Atomkraftwerke zunächst weiterlaufen zu lassen. Die Alternative wäre der forcierte Betrieb von Braunkohlekraftwerken, was für die Bekämpfung des Klimawandels absolut kontraproduktiv wäre. Aber vielleicht kommt man da sowieso nicht rum.

5.Letztlich geht es noch um eine verstärkte Forschung in der Speichertechnologie und der Wasserstoffnutzung. Aber das sind Szenarien für die mittlere Zukunft.

 

Aus alledem ergibt sich dieser Schluss:

Die Ankündigung der Bundesregierung der Neuorientierung bei der Sicherheits- und Verteidigungsfrage und der Entkoppelung der Energieversorgung von Russland ist richtig. Aber: Sie kostet eine große Stange Geld und die Details ihrer Umsetzung werden schwierig. Welchen Umfang das alles haben wird, ist im Moment nicht vorherzusagen, allenfalls zu erahnen.