Erleichterungen für Geimpfte?

Der Ethikrat, der die Bundesregierung in ethisch-moralischen Fragen berät, hat verkündet: Gesonderte Behandlungen für Geimpfte kommen zurzeit nicht in Frage, weil im Moment nicht mit Sicherheit feststeht, ob Geimpfte das Virus auf Dritte übertragen können oder nicht. (von Rolf Künne)

Und mit dieser Aussage hat der Ethikrat Recht. Denn Voraussetzung für jede Lockerung für Geimpfte ist die Tatsache, dass sie nicht mehr ansteckend sind. Und wenn man das nicht weiß, kann man sie auch nicht gesondert behandeln.

Nur: Damit ist die Frage nicht entschieden! Denn: Wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt einmal feststehen sollte, was wir in unser aller Interesse hoffen sollten, dass man durch Impfung auch gegenüber Dritten immun ist, taucht die Frage der Sonderbehandlung von Geimpften mit Sicherheit wieder auf. Und da ist es sinnvoll und vorausschauend, sich jetzt schon mit einer solchen Situation zu beschäftigen, damit man nicht unvorbereitet in eine solche Lage hineinschlittert.

Der Ansatz zur Lösung dieser Frage ist klar: Nach unserer Verfassung und nach dem westlichen Werteverständnis ist die Freiheit des Einzelnen, sich aufzuhalten, wo er will, Kontakt aufzunehmen, mit wem er will, zu reisen, wohin er will usw. ein unteranderem in Art. 2 unseres Grundgesetzes verbrieftes Recht. Dieses Recht kann allerdings in Notzeiten, wie jetzt in der Pandemie, zum Schutz des Einzelnen und/oder Dritter eingeschränkt werden. Aber nur wenn das Schutzbedürfnis, hier die Volksgesundheit, das Freiheitsrecht des Einzelnen überwiegt. Das ist zurzeit der Fall. Denn das Coronavirus grassiert. Es kann jeden treffen und grundsätzlich kann jeder einen anderen infizieren. Fällt aber diese Infektionsgefahr für und durch den Einzelnen weg, dann muss das Freiheitsrecht eines jeden wiederhergestellt werden. Allerdings nur, wenn seine Person für den Schutz der Allgemeinheit nicht mehr benötigt wird. Somit ist vor diesem Hintergrund die persönliche Freiheit einer jeden Person ein von der Verfassung garantiertes Recht und kein Vorrecht (Privileg).

Das hat zur Folge: Jeder Geimpfte, der weder an dem Virus erkranken kann noch es an Dritte übertragen kann, muss sein Freiheitsrecht zurückbekommen, darf den coronabedingten Einschränkungen nicht unterliegen.  Sollte sich also bewahrheiten, was im Moment sich abzeichnet, dass viele Geimpfte selbst immun sind und Dritte nicht mehr anstecken können, dann haben sie das Recht, sich frei zu bewegen, zu versammeln, zu kontaktieren, wen sie wollen und der Staat darf ihnen dieses Recht nicht beschränken oder gar wegnehmen.

Dieses kann aber nur für die „ungefährlichen“ Geimpften gelten, d.h., wer nach der Impfung immer noch andere mit dem Virus infizieren kann, kann dieses Recht nicht in Anspruch nehmen, weil, wie zurzeit, der Schutz der Allgemeinheit überwiegt.

Also: Wollen Geimpfte ihre Freiheitsrechte wieder völlig zurückhaben, müssen sie nachweisen, dass sie für sich und/oder für Dritte nicht mehr gefährlich sind.

Dieser Rückgewährung der Freiheitsrechte steht das Gleichheitsgrundrecht des Art.3 unseres Grundgesetzes nicht entgegen, wonach Gleiches gleich behandelt werden muss.

Denn: Wenn Gleiches gleich behandelt werden muss, darf Ungleiches nicht gleich behandelt werden. Das folgert sich als Umkehrschluss aus dem Gleichheitsgrundsatz. Konkret heißt das: Wer nicht geimpft ist, kann die Coronavirusfreiheit nicht endgültig nachweisen. Somit ist er ungleich zu einem Geimpften, der das Virus nicht mehr übertragen kann.

Etwas anderes könnte nur gelten für diejenigen Nichtgeimpften, die schon eine Coronaerkrankung durchgemacht haben. Da aber die Wissenschaft im Moment nicht die Immunität und die fehlende Möglichkeit der Virusweitergabe an Dritte durch schon einmal Coronainfizierte belegen kann, ist dieser Weg zur jetzigen Zeit verschlossen.

Wenn jemand aber ungleich zu einem Geimpften ist, gebietet der Gleichheitsgrundsatz geradezu, ihn anders zu behandeln.

Zwei Ausnahmen bestehen allerdings:

Zum einen: Geimpfte, die selbst immun sind, aber das Virus noch auf Dritte übertragen können, können sehr wohl mit anderen Geimpften zusammentreffen, denn sie können denen nicht mehr gefährlich werden und sind auch, weil schon geimpft, nicht selbst gefährdet. Das gilt aber nur, wenn eindeutig feststeht, dass nur Geimpfte zusammenkommen und nicht auch nicht Geimpfte.

 

Zum anderen: Bei Vorliegen der sog. Herdenimmunität.Diese besagt, dass so viele von dem Virus nicht mehr gefährdet werden können, so dass bei dem geringen Rest Infizierbarer das Virus keine Chance mehr hat sich zu verbreiten. Wann das der Fall ist, ist umstritten. Einige meinen bei 60-65% der Gesamtbevölkerung, andere gehen von 80-85% aus. Aber selbst wenn man in Deutschland den Schwellenwert der Herdenimmunität erreichen sollte, ist das noch kein Freibrief. Denn wenn es in unseren Nachbarländern anders aussieht, sind wir bei offenen Grenzen nach wie vor von der Herdenimmunität entfernt.

Fazit: Nichtübertragungsfähige Geimpfte müssen ihre Freiheitsrechte zurückbekommen.

Wer sich nicht impfen lässt, muss hinnehmen, dass seine Freiheitsrechte weiterhin beschränkt werden.