Schweden und Corona

Ist Schweden bei der Bekämpfung des Corona-Virus wirklich Vorbild? Nach den Ausführungen von Michael Ryan, dem Notfalldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO): Ja!
Schweden ist bei der Bekämpfung des Coronavirus einen anderen Weg als Deutschland, Italien, Spanien u.v.a. gegangen. Es hat den sog. „Lockdown“, also das komplette Herunterfahren der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens vermieden und hat seinen Bürgerinnen und Bürger viel weniger Beschränkungen auferlegt als z.B. in Deutschland. Eigentlich hat Schweden nur zwangsweise reguliert, als es die erlaubte Höchstzahl für das Zusammenkommen von Menschen auf 50 begrenzte und Besuchsverbot in Altenheimen aussprach. Im Übrigen hat Schweden auf die Freiwilligkeit und das Verantwortungsbewusstsein seiner Bürgerinnen und Bürger gesetzt. Hat die Forderungen, die wir z.B. aus Deutschland kennen, wie Händewaschen, Abstand halten, Zuhausebleiben im Krankheitsfall oder als Angehöriger einer Risikogruppe besondere Zurückhaltung sich aufzuerlegen, zwar auch gestellt, aber bei der Umsetzung auf ein freiwilliges Einhalten der Bevölkerung gesetzt. Dadurch hat Schweden den „Lockdown“ größtenteils vermieden, hat dadurch wenige heftige Einschnitte ins gesellschaftliche Leben und insbesondere in die Wirtschaft erlebt und dadurch große Turbulenzen und Zusammenbrüche , wie z.B. in den USA, vermieden. Im Übrigen geht jetzt das sog. „Hochfahren“ der Wirtschaft, so es überhaupt nennenswert nötig ist, viel einfacher als in Ländern mit „Lockdown“. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schäden sind deutlich geringer als in Deutschland, Italien, Spanien, Frankreich, Großbritannien, USA und anderswo.

Also: Hat Ryan Recht? Ist Schweden bei der Coronavirus-Bekämpfung vorbildlich?
Jein! Es kommt darauf an, wo man den Schwerpunkt setzt? Schweden hat für seinen Weg einen hohen Preis in der Volksgesundheit gezahlt und zahlt ihn noch!

Zurzeit hat Schweden fast 30.000 Infizierte und mehr als 3.000 Tote zu beklagen. In Deutschland lagen die entsprechenden Zahlen bei ca. 170.000 Infizierten und ca. 7.500 Toten.

Bei diesem Vergleich muss man aber unbedingt berücksichtigen, dass Schweden von der Fläche her größer ist als Deutschland, aber nur etwa ein Neuntel der Bevölkerung Deutschlands aufweist. Rechnet man die schwedischen Zahlen auf Deutschland um, hätte das schwedische Modell etwa 270.000 Infizierte und 27.000 Tote bedeutet. Konkret: Auf 1 Million Einwohner kommen in Schweden 289 Tote, in Deutschland ca. 88. Wenn man darüber hinaus bedenkt, dass Schweden viel dünner besiedelt ist als Deutschland (23 Menschen pro Quadratkilometer zu 233 in Deutschland), das Virus sich wegen der geringen Menschennähe viel schwerer verbreiten konnte, dann machen diese Zahlen ein kräftiges Defizit Schwedens in der Gesundheitsfürsorge und dem Schutz der Menschen deutlich.

Plakativ ausgedrückt: Schweden hat seine Vorteile beim freien gesellschaftlichen Leben und der Sicherung der Wirtschaft bezahlt mit einer hohen Erkrankungs-und Sterberate seiner Bevölkerung!

Ob man dieses Ergebnis als vorbildlich bezeichnen kann, wie Ryan es getan hat, ist zumindest zweifelhaft.