Die Verantwortung für das Winter-Corona-Desaster

Seit Anfang November 2020 sind die Coronainfektionszahlen in Deutschland regelrecht explodiert. Im Oktober drohte die Bundeskanzlerin mit der Zahl von täglich 19000 Neuinfektionen zu Weihnachten, wenn wir nicht Konsequenz in der Coronabekämpfung zeigten.

Ende 2020 wäre man froh, wenn diese von der Bundeskanzlerin genannte Zahl Wirklichkeit wäre. Denn zur Weihnachtszeit 2020 liegen wir bei bis zu 30000 Neuinfektionen pro Tag. Und das so oder so ähnlich seit Wochen! Und schlimmer noch: Täglich sterben Hunderte (in „Spitzenzeiten“ bis zu 1000) an und mit dem Coronavirus (eine feinsinnige Unterscheidung ´, denn man weiß nicht immer sicher, ob der Coronainfizierte an dieser Krankheit oder während dieser Krankheit aus einer anderen Ursache starb). Diese Zahlen sind eine Katastrophe! Wenn sie so ungebremst weitergehen, haben wir demnächst monatlich an die 20000 neue Tote und an die  800000 Neuinfektionen. Im Moment etwas sinkende Zahlen sind auf den harten Lockdown zurückzuführen, der, hätte man sich nur konsequent verhalten, zu vermeiden gewesen wäre.

Und wer trägt die Verantwortung für dieses Desaster? Wer ist schuld, dass die Zahlen der Frühjahrspandemie (März, April 2020) ein Klacks gegenüber unseren Herbst-und Winterzahlen sind? Wem ist zuzuschreiben, dass Deutschlands Vorteile gegenüber den Nachbarstaaten in der Coronabekämpfung im Frühjahr 2020 jetzt im Herbst/Winter 2020 dahingeschmolzen sind wie Schnee in der Sonne?

Die gängige und naheliegende Antwort: Die Politik!

Und es ist ja auch richtig, dass es im Laufe des Jahres 2020 und auch im Herbst/Winter 2020 jede Menge Nachlässigkeiten, Zögerlichkeiten, Fehlentscheidungen seitens der öffentlichen Hand gegeben hat, die mit dazu beigetragen haben, dass in Deutschland „die Karre so tief im Coronadreck steckt“.

Nur wenn wir ehrlich mit uns sind: Das war und ist es nicht allein. Jeder von uns, die Bevölkerung insgesamt, trägt ein gerüttelt` Maß an Verantwortung!

Aber der Reihe nach!

In der Tat hat es bei der öffentlichen Hand (Bund Länder, Kommunen) erhebliche Versäumnisse nach der Frühjahrspandemie gegeben. Dabei liegt die Hauptverantwortung bei den Ländern, aber auch, wenn auch geringer, beim Bund, wohingegen das Verantwortungsdefizit der Kommunen gering ist.

Schon im Frühjahr und im Frühsommer wusste man, dass es im Herbst zu steigenden Infektionszahlen kommen wird, weil sich das Coronavirus in geschlossenen Räumen, in denen sich die Bevölkerung witterungsbedingt überwiegend aufhalten muss, besonders leicht verbreitet. Es war klar, dass ein Impfstoff frühestens Ende 2020 zur Verfügung stehen konnte. Und man wusste insbesondere, dass  die Bewohner von Altenheimen besonders gefährdet sind. Und was ist während des Spätfrühjahrs, des Sommers und im Frühherbst vorbereitend geschehen? Fast nichts, lautet die traurige Antwort!

1.Man wusste um die Bedeutung umfassender Tests. Dennoch hat man die Testkapazitäten nur unzureichend erhöht oder die Testmöglichkeiten für andere Zwecke nutzen lassen, z.B. für Profisportler, Massentests in der bayerischen Bevölkerung, obwohl klar war, dass sie immer nur ein Momentergebnis bringen konnten.

2.Die Möglichkeit, Schnelltests massenhaft anzubieten, wurde zögerlich, anfänglich überhaupt nicht, in Angriff genommen. Mit dem schlimmen Ergebnis, dass sie, als es ernst wurde, kaum zur Verfügung standen. Selbst in Altenheimen nicht, wo sie dringend benötigt wurden. Alles musste dann -hoppla, hopp- quasi über Nacht herbeigezaubert werden, was natürlich nicht klappte.

3.Die Anschaffung besonders schützender FFP2-Masken ließ man schleifen, obwohl man  die besondere Bedeutung des Masketragens, das man mantrahaft immer und immer wieder vorbetete, kannte. So kam es, dass sie in Krankenhäusern knapp waren, in Altenheimen nicht vorhanden. Erst Ende 2020 begann man solche Masken kostenfrei an die ältere Bevölkerung zu verteilen.

4.Man wollte die Schulen auf jeden Fall offenhalten, obwohl man wusste, dass man mangels einer genügenden Zahl von Klassenräumen und Lehrkräften für einen geteilten Unterricht, die Schülerinnen und Schüler „wie die Heringe“ in ihren Klassenräumen zusammenpferchen musste. Dass das Coronavirus bei solchen Verhältnissen locker überspringen konnte, lag doch auf der Hand.

5.Die ständige Belüftung der Klassenzimmer war dann der große Renner. Nur hatte man im Sommer versäumt, genügend Belüftungsgeräte zu erwerben. Also musste und muss man durch Öffnen der Fenster den genügenden Luftaustausch herbeiführen. Mit der bösen Folge, dass sich die Schülerinnen und Schüler den „Allerwertesten“ abfroren. Sie sollten dann Wolldecken mitbringen!

6.Der Gipfel war dann das Gezerre, Gezeter, Geplänkel um den sogenannten „Lockdown light“, also ein bisschen Lockdown, nur um nicht die Menschen zu verärgern. Dabei taten sich die Ministerpräsidentinnen und MInisterpräsidenten unrühmlich hervor. Sie waren uneins, zögerlich, kleinmütig oder großmaulig, mit äußerst bescheidenen Ergebnissen im eigenen Land.

Beispiele?

Die Herren Kretschmer (Sachsen) und Ramelow (Thüringen) meinten, sie bräuchten nichts zu machen. Ihre Länder seien nicht betroffen. Mit dem fatalen Ergebnis, dass ihre Länder nunmehr die am meisten betroffenen -außer Bayern- in Deutschland sind. Als ob das Virus an Landesgrenzen Halt mache!

Der Herr Söder in Bayern, der jeden Tag eine neue Idee, einen neuen Appell, einen neuen Vorschlag über die Medien verbreitet und so tut, als wisse er alles besser. Der aber in seinem Land die höchsten Infektionszahlen (absolut) und die höchsten (relativ) hat.

Und der Herr Laschet in Nordrhein-Westfalen, der vorgegangen ist nach den Grundsätzen der Echternacher Springprozession: Zwei Schritt`vor, einer zurück. Mit der Variante, auch `mal einen Schritt zur Seite zu tun.

Aber der Fairness halber: Alle Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten haben sich nicht mit Ruhm bekleckert. Sie haben sich -zumindest zeitweise- nicht der Coronabekämpfung genügend gewachsen gezeigt. Ein wenig kann man davon allenfalls die vier Ministerpräsidentinnen und-präsidenten der Nordländer Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen ausnehmen.

Da auch der Bund nicht mit dem genügenden Nachdruck den Ländern auf die Füße getreten ist, auch wenn die Bundeskanzlerin ein konsequentes und zügiges Vorgehen öfters anmahnte und die Bundesländer rechtlich die ganz überwiegende Kompetenz bei der Pandemiebekämpfung haben, ist es zu diesen schlimmen Entscheidungs-und Vollzugsdefiziten gekommen.

Also: Ein deutliches Versagen der „Politik“, insbesondere der Bundesländer.

Also: Eine deutliche Verantwortung der „Politik“ für die bösen Pandemiezustände, in denen Deutschland sich zurzeit befindet.

Aber das ist nur der eine Teil der Wahrheit!

Die Bevölkerung trifft auch ein gerüttelt´ Maß an Schuld an der Pandemiemisere.

Keine Ministerpräsidentin, kein Ministerpräsident, kein zögerlicher Beamter haben das Virus übertragen, sondern das waren wir. Nicht jeder einzelne, denn -Gott sei Dank- ist nur eine geringe Minderheit vom Virus befallen, aber insgesamt betrachtet aus der Bevölkerung heraus. Wir haben durch unser Verhalten denen, die uns nahekamen, das Virus gebracht. Natürlich unabsichtlich, meistens unbemerkt, vielfach unvermeidlich.

Aber auch durch Unverstand und Leichtsinn!

Hier einige Beispiele:

1.Zunächst alle die, die sich bewusst über die Coronaregeln hinweggesetzt haben, wie die Querdenker, die Verschwörungstheoretiker, die Virusleugner oder die, die bewusst die Ausbreitung der Pandemie aus politischen Gründen (Destabilisierung unseres Staates) befürworten.

2.Diejenigen, die ungehemmt „Party feiern“, wie z.B. die Jugend auf Straßen und Plätzen in Großstädten während des Sommers und Frühherbst. Oder später die, die zuhause in ihren „vier Wänden“ munter gefeiert haben.

3.Oder die, die ungebremst Familienfeste gefeiert haben, Geburtstage, Hochzeiten etc.

4.Oder die, die meinten, sie müssten in Urlaub fahren, obwohl eigentlich jedem klar sein musste, dass Reisen und die Zusammenkunft am Ferienort eine Brutstätte für das Virus sind.

5.Die vielen Lobbyisten, die die Interessen ihrer Klientel (z.B. Industrie, Dienstleistungen, Handel, Gastronomie) über den Schutz der Allgemeinheit stellten und stellen und Coronaschutzmaßnahmen bekämpften, abschwächten oder gar verhinderten.

6.Alle die, die gezwungenermaßen (oder auch nicht) mit anderen Menschen in engem Kontakt kamen, im Nahverkehr, am Arbeitsplatz, bei Betreten von Geschäften.

7.Diejenigen, die die Maske nicht getragen haben, die die Handhygiene vernachlässigt haben.

Und wenn wir ehrlich sind, passen viele von uns in eine dieser Gruppen hinein.

Fazit: Es gibt eine Vielzahl von Verantwortlichen für die Situation, in der wir jetzt sind. Es besteht kein Grund, übermäßig entrüstet auf das Fehlverhalten der anderen zu zeigen. Zumal Schuldzuweisungen uns im Moment nicht weiterbringen, allenfalls dadurch, dass wir uns bemühen müssen, begangene Fehler nicht zu wiederholen.

Das heißt (komprimiert und vereinfacht):

Die „Politik“ soll konsequent und nicht zögerlich handeln und die Bevölkerung soll sich zurückhalten und die Beschränkungen akzeptieren.

Wenn jetzt noch das Impfen den Erfolg bringt, den wir uns erhoffen -allerdings mit einer genügenden Wirksamkeit frühestens im Sommer 2021- , dann können wir auch wieder aus der Coronakrise herauskommen und ruhigen und weniger beschränkenden Zeiten entgegensehen.