Die Wahlrechtsreform

Die „Ampelfraktionen“ im Bundestag (SPD, Grüne, FDP) haben mit ihrer Mehrheit eine Reform des Wahlrechts zum Bundestag durchgesetzt. Zukünftig wird der Bundestag immer 630 Sitze haben und ausufernde Abgeordnetenzahlen, wie zurzeit mit 736, wird es nicht mehr geben.

Eine Reform, die die Großen Koalitionen unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) seit 2012 nicht zustande gebracht hatten. Im Jahre 2012 hatte nämlich das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der Bundestag nicht mehr über die gesetzlich festgesetzte Zahl, damals 598, von Abgeordneten hinausgehend besetzt werden darf. Seitdem war zur Verwirklichung dieser Aufgabe nichts Wesentliches geschehen.

Die „Ampelfraktionen“ haben sich der bekräftigenden Aussage des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung von 2012 bedient, dass bestimmende Grundlage unseres deutschen Wahlrechts die Verhältniswahl ist. Das heißt: Die Anzahl der Zweitstimmen, die eine Partei von den Wählerinnen und Wählern erhalten hat, muss sich auch exakt bei der Zahl der Abgeordneten, die diese Partei im Bundestag hat, widerspiegeln. Somit darf diese Zahl durch andere Einflüsse nicht verändert werden und muss in der Summe aller im Bundestag vertretenen Parteien genau 630 betragen.

Diese Reform „erkaufen“ sich die „Ampelfraktionen“, indem die Zahl der Abgeordneten, die ihren Wahlkreis gewonnen haben und in den Bundestag einziehen (durch die sog. Erststimme) variabel ist, mit der Folge, dass es vorkommen kann, dass im Ausnahmefall eine direkt gewählte Abgeordnete, ein direkt gewählter Abgeordneter nicht in den Bundestag kommt. Denn wenn eine Partei in einem Bundesland (es wird auch bei der Bundestagswahl immer in jedem einzelnen Bundesland gewählt) mehr Direktmandate gewinnt als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis in diesem Bundesland zustehen würden, fallen die Abgeordneten, die mit dem prozentual schlechtesten Ergebnis in Verhältnis zu den anderen Direktgewählten gewählt worden sind, weg, bis die Zahl der durch Zweitstimmen gedeckten Sitze erreicht worden ist (sog. Zweitstimmendeckelung). Dadurch erreicht man, dass es nicht mehr zu Überhang -und Ausgleichsmandaten, die die Zahl der Bundestagsabgeordneten aufblähen, kommt. Solche Mandate waren notwendig, um im Falle von „überschießenden“ Direktmandaten die Sitzzahl dem prozentualen Zweitstimmenergebnis aller Parteien anzupassen. So kam es zu den zurzeit 736 Abgeordneten im Bundestag, leider mit steigender Tendenz, so dass man nach Berechnungen zukünftig auf ein Parlament von bis zu 900 Abgeordneten kommen könnte. Ein Unding, wir haben jetzt schon das zweitgrößte Parlament der Welt!

Insbesondere die CSU ist mit dieser Regelung nicht einverstanden, weil sie von der alten Regelung stark profitiert hat. Diese Berechnung macht das klar: Bei der letzten Bundestagswahl hat die CSU bundesweit 5,2% der Zweitstimmen bekommen (sie kandidiert nur in Bayern). Sie hat aber bis auf einen alle Wahlkreise in Bayern gewonnen, nämlich 46. Nach dem Zweitstimmenergebnis stünden ihr 33 Sitze zu (5,2% von 630), also fielen 13 gewählte Abgeordnete raus. Die CSU hält -deshalb?- die neue Regelung für verfassungswidrig und wird das Bundesverfassungsgericht anrufen.

Nur: Die neue Regelung ist eine Ausprägung des Verhältniswahlrechts, das beherrschend ist. Den Vorrang des Verhältniswahlrechts (Anzahl der Zweitstimmen) vor dem Mehrheitswahlrecht (Anzahl der direkt gewählten Kandidatinnen und Kandidaten-Erststimmen) hat auch das Bundesverfassungsgericht so gesehen. Will man das Ausufern der Abgeordnetenzahl im Bundestag verhindern, dann muss man den Hebel an der Mehrheitswahl ansetzen und nicht die durch die Zweitstimmen bestimmte Zahl der Abgeordneten einer Partei relativieren.

Die „Ampelfraktionen“ haben noch eine zweite wesentliche Wahlrechtsreform im Bundestag beschlossen, nämlich den Wegfall der sog. „Grundmandatsklausel“. Hinter diesem Begriff verbirgt sich das Recht einer Partei in Fraktionsstärke Abgeordnete im Bundestag zu stellen, auch wenn sie nicht mindestens 5% der Zweitstimmen erhalten, aber mindestens bundesweit drei Wahlkreise direkt gewonnen hat. Dies ist in diesem Bundestag bei der Linkspartei der Fall. Diese Regelung wegfallen zu lassen, ist konsequent. Denn wenn bei der Bundestagswahl der eindeutige Schwerpunkt bei den Zweitstimmen künftig liegt und wenn die durch die Personenwahl erworbenen Sitze unter dem Vorbehalt des Zweitstimmenergebnisses stehen, dann ist die alte Regelung systemwidrig und überholt. Aus naheliegenden Gründen will das die Linkspartei nicht akzeptieren und will auch vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

Fazit: Die getroffenen Wahlrechtsreform ist schlüssig, begrenzt die Größe des Bundestages und bestätigt das herrschende Verhältniswahlrecht. Sie ist verfassungskonform.